Alpenüberquerung im Sommer 2015 - We did it again!

  01. August 2015    von Jumana Ibrahim-Bacha

Eine Tour ins Reich der Kontraste: grandiose Ausblicke und beklemmende Einblicke, chaotische Erdgeschichte und blutige Weltgeschichte, zahme Graskämme und wilde Felsgrate.

Der Friedensweg (italienisch: Sentiero della Pace) bietet intensive und gegensätzliche Eindrücke zugleich. Er ist Teil des Karnischen Höhenweges der sich durch die Südtiroler und Osttiroler Dolomiten zieht und wurde Mitte des 20. Jahrhunderts, auf Basis und entlang militärisch benützter Steige des Alpenkriegs, der alpinen Südfront des Ersten Weltkriegs, angelegt und zählt zu den bedeutendsten historischen Weitwanderwegen im nördlichen Italien. Schau rein in unser Video:

In der zweiten Ferienwoche ging es für 20 Schülerinnen und Schüler von vier verschiedenen Schulen mit ihren vier Schulsozialarbeiterinnen und –arbeitern vom Flughafen Tegel nach Klagenfurth und von dort aus mit dem Zug nach Silian.

Dort angekommen, machten wir uns bald auf den Weg zum Abendessen und passierten die italienische Grenze. Im Restaurant genossen wir das gute einheimische Essen und bestellten uns Pizza, Spaghetti und Tiramisu. Die erste Nacht in Silian war schon etwas abenteuerlich, da wir in einem uralten Schulhaus übernachteten, das mittlerweile bestimmt nicht mehr steht, weil es kurz nach unserer Abreise abgerissen werden sollte. Zum Glück gab es zumindest heißes Wasser - übrigens das letzte Mal (kostenlos) für die nächsten Tage in den Bergen! Ganz früh morgens halfen alle mit, um Lunchpakete zu schmieren und das Frühstück zuzubereiten. Frisch gestärkt ging das Abenteuer dann endlich los...

Erlebnisbericht von Jumana Ibrahim-Bacha:

© Marielle Ziller

In Silian begann unsere erste Etappe und endete in 2447 Metern Höhe auf der Silianer Berghütte. Für den ungeübten Normalbürger war es nicht gerade ein einfacher Einstieg für die Wanderung entlang des karnischen Höhenwegs, dem sogenannten „Friedensweg“, soviel steht fest! Doch nach einer vor Aufregung schlaflos verbrachten Nacht, auf knarrenden Doppelstockbetten, in einer Jugendherberge und pünktlichem Aufstehen um sechs Uhr in der Früh, wäre mir wahrscheinlich jeder erste Anstieg schwierig vorgekommen.

Jegliche Strapazen des Tages waren jedoch sofort vergessen, als wir schließlich unser erstes Etappenziel erreicht hatten. Das Panorama, welches sich uns nun bot, kann weder mit Fotos eingefangen, noch mit Erzählungen übermittelt werden, aber müsste ich es beschrieben, so würde ich nicht sagen: „Berge und Täler“, ich würde lediglich ein Wort benötigen: „Freiheit“.

© Marielle Ziller

Dass die Dolomiten nicht für jeden seither Freiheit bedeuten konnten, war eine Erkenntnis, die ich bereits während der zweiten Etappe erlangte. Den ganzen Tag, genauso wie an den darauf folgenden Tagen, liefen wir an finsteren Schießscharten, provisorischen Schützengräben und lange vergessenen Ruinen ehemaliger Unterkünfte der Soldaten des 1. Weltkrieges vorbei. Obwohl diese zerfallen, überwuchert oder unzugänglich waren, war es mir, als beginne der Krieg von neuem. Die Reise hat mich daran erinnert den Frieden wertzuschätzen und die Freiheit zu lieben.

Doch natürlich drehte sich die Wanderung nicht ausschließlich um die schreckliche Vergangenheit. Mit jedem Schritt während der insgesamt sechs Etappen schritten wir voran in die Zukunft. Und in der Zukunft lag der Wörthersee, ein azurblauer, komplett klarer See in Österreich, der als Abschluss unserer Fahrt geradezu perfekt geeignet war. Dort konnten wir uns von den anstrengenden vergangenen acht Tagen (denn zu den sechs Wandertagen kamen zwei Ruhetage hinzu) erholen und die gebildeten freundschaftlichen Bande stärken.

© Marielle Ziller

Neben Teamfähigkeit und das Wissen um meine eigenen Grenzen, habe ich eine ganze Menge über den 1. Weltkrieg gelernt - sowohl auf menschlicher Ebene, als auch auf historischer. Das Wichtigste ist allerdings, den Wert guter Freunde und der Natur, beides unbeschreiblich schön und beständig, erfahren zu haben.